Endlich ist es so weit. Wir starten am 15. Juni 2015. Unser Schiff ist technisch Top ausgerüstet, die Vorratslager sind gefüllt, samt 20 Dosen Mestemacher Vorratsbrot.
Bei schlechtem Wetter legen wir in Neuhof, unserem Heimathafen ab, Ölzeug ist angesagt. Östlicher Kurs durch den Greifswalder Bodden, 30 sm bis zur Insel Ruden. Wenn irgendwo der wilde Wassermann wohnt, dann im Greifswalder Bodden. Das Wasser ist unruhig und voller Überraschungen.
Die Insel Ruden ist bis auf den Hafenmeister und seiner Frau nicht bewohnt und der Hafen ein idyllischer Ort in unberührter (gepflegter) Natur. Die Insel wurde früher militärisch genutzt, übrig geblieben ist der Mess- oder Wachturm. Der Turm ist geöffnet. Ein Bescheidenes Museum ist hier eingerichtet worden und die Aussicht auf die Weite der Ostsee lädt ein zum Segel hissen.
16. Juni - Nach erholsamem Schlaf geht es um 10.15 Uhr weiter Richtung Swinemünde/Polen. O-Ton Jürgen: „Das ist Seglerglück, Wind von Raumschots (naja, halber Wind wäre optimal), 4-5 Windstärken, 7,4 Knoten über Grund, Wolken mit Sonne.“ So beginnt die Reise, von der wir geträumt haben. Ohne Zeitdruck einfach mal weg zu sein.
Unsere Selbststeuerungsanlage (Autopilot) ist für mich ein technisches Wunderwerk. Jürgen hat sie eingebaut. Knopfdruck, und wir können die Mittagsstulle essen, Tee trinken oder andere Bedürfnisse erledigen. Und das Schiff steuert allein, entweder nach Wind oder Kurs, genial, natürlich immer mit uns an der Seite.
In Swinemünde stellen wir fest, dass unser Funkgerät auf Knopfdruck nicht mehr reagiert. Auch ein Fachmann konnte das Ding nicht reparieren. Ein neues Funkgerät musste angeschafft werden. Wir bleiben einen Tag im Hafen.
Weiter geht es nach Kolberg/Polen. Der Kurs führt über 50 sm parallel zur Küste. Kein Kaffeesegeln, Regen, teils aus Kannen, Wind bis 5 bft, aber 7- 8 kn Geschwindigkeit, also nur 8 Std. durch rauhe See bis Kolberg. Und dann der Härtetest. Weil der Wind fast achterlich eingefallen ist, mussten wir das Großsegel reffen (35 m² Segelfläche). Auch beim 2. Versuch ließ sich das Rollsegel nicht einholen. Der Verbindungsbolzen der Rolltechnik im Mast hatte sich gelöst, darf nie passieren. Autopilot „on“ , unter Maschine bergen wir das Segel und wickeln es um den Baum. Für Skipper Jürgen ein sportlicher Einsatz, für mich Adrenalin pur, aber angstfrei. Um 21.30 Uhr machen wir in Kolberg fest.
Zwei Tage Reparaturarbeiten. Erst ein zweites Arbeitsloch im Mast machte es möglich, den Bolzen wieder einzusetzen. Gebrochene Segelleisten mussten mit Tape repariert werden. Wir hatten im Detail sehr viel Glück. Das Segel ist jetzt wieder einsatzbereit und kann gehisst werden. Hafenmeister und Segler waren eine echte Hilfe.
Kolberg ist das wichtigste Kurbad an der polnischen Ostseeküste, mit einer schönen Marina, gepflegt, guter Service und freundliche Menschen. Als Wahrzeichen thront der Mariendom über Kolberg, eine Backstein-basilika aus dem 13. Jhd.
Ein Erlebnis war der Besuch einer Messe mit dem Kolberger Kirchen-/Kinderchor und bemerkenswerten Solisten. Der Sound: makellose, glockenhelle Kinderstimmen gemischt mit tragendem Sopran. Das küsst die Seele.
Das neugotische Rathaus, ein Schinkel-Bau von 1829, ist beeindruckend. Leider stören die riesigen Sonnenschirme der Gastronomie den Gesamteindruck. Die polnischen Cafes mit ihren erlesenen Torten sind sehr zu empfehlen.
Unser Großsegel ist wieder einsatzbereit. Am Montag früh, 22. Juni, laufen wir um 8.00 Uhr in Kolberg aus Richtung Darlowo (Rügenwalde), d. h. 6.00 Uhr aufstehen. 14° Untertemperatur, und das im Juni, der Wind bläst mit 3-4 Bft. Die Windrichtung Süd bis Süd/Ost bringt uns auf Tour und wir genießen das leichte Dahingleiten bei geringem Seegang, bedecktem Himmel und blasser Sonne. Dann nimmt der Wind zu, leichter Regen, wir reffen beide Segel. Um 14.00 Uhr, nach 35 sm machen wir in Darlowo fest. Jürgen hatte gerade Strom gelegt und dann ………. schüttet es wie aus Kannen. Wir genießen Tee und Gebäck im warmen Salon.
Dienstagmorgen werden wir vom Regen geweckt. Mit Regenjacke und Sonne im Herzen erkunden wir Darlowo und finden mal wieder ein gutes Cafe, Jürgen`s Leidenschaft. Ausgedehnte Parkanlagen verschönern den Weg in die Stadt.
Am nächsten Tag, it`s summertime, blauer Himmel mit viel Sonne, das Stimmungsbarometer ist gestiegen. Kein Regen mehr, der scharfe Wind hat sich gelegt, die Windfähnchen in der Wetter-APP zeigen in die richtige Richtung und die Farbe gelb/orange verspricht steigende Temperaturen.
Kleine Freuden des Lebens ist der Fisch, den wir überall direkt vom Kutter kaufen. Frisch zubereitet, eine Gaumenfreude.
Seit Montag dürfen die Schiessgebiete vor der polnischen Küste nicht befahren werden. Oder, wenn wir ablegen wollen, müssen wir weit raus auf das Wasser, müssen die Gebiete mit vielen zusätzlichen Seemeilen umsegeln, die an einem Tag kaum zu bewältigen sind.Die Bekannt-machungen am Hafengebäude zwingen uns zum Umdenken. Erst nach drei Hafentagen in Darlowo ist eine Nachtfahrt durch die Schießgebiete Richtung Leba möglich, nur in der Zeit von 24.00 Uhr bis 7.00 Uhr in der Früh
Freitag, 26. Juni – 23.30 Uhr, alles klar zum Auslaufen – Zielhafen nach 50 sm - Leba. Gleichzeitig startet eine dänische Gruppe von 8 Seglern. Im Wiederschein der vielen Lichter im Hafen gleiten diese eleganten Segler durch das Wasser, stimmungsvoll, fast kitschig schön.
Bei schwachen SW/NW Winden haben wir um 6.30 Uhr erst 24 sm Strecke gemacht, Leba ist nicht zu schaffen, wir machen in Ustka Zwischenstopp.
Meine erste Nachtfahrt und dann dieser Sonnenaufgang, das macht Laune.
In Ustka liegen wir an der Stadtpier direkt im Zentrum.
Wir fallen erstmal müde in die Koje und haben einen erholsamen Schlaf. Der Hafenmeister ist manchmal das Stimmungsbarometer in einer Marina. Bisher hatten wir immer Glück.
Freundliches Wetter, wir fühlen uns fit, so beginnt der nächste Tag.
Es duftet nach frischen Waffeln und das bunte Treiben polnischer Touristen lockt uns zum ersten Stadtbummel. Die Hafenmeile entlang erleben wir ein Kulturfest. Gesang, Tanz, Musik und die Fröhlichkeit der Polen machen Stimmung. Wir flanieren und freuen uns des Lebens.
Im 14. Jhd. war die Stadt ein Hansestützpunkt, alte Speicher und Stadtgebäude erinnern an längst vergangene Zeiten.
Der Skipper vom Nachbarschiff ist ziemlich sauer. Bei einer Ausfahrt hat er das Naturschutzgebiet „geschrammt“. Der Wasserschutzpolizei entgeht nichts. Sie war direkt vor Ort, d.h., zurück in den Hafen, 3 Stunden Protokoll und intensive Inspektion des Schiffes. Fragen stellt nur die Polizei, wurde er zurechtgewiesen.
Die Weiterfahrt nach Leba am Sonntag um 12.30 Uhr bei halbem Wind, Sonne und 17° ist fast Luxussegeln. Mit der Ansteuerungstonne Bug voraus, nach nur 24 sm, laufen wir um 19.00 Uhr in Leba ein und finden auch hier eine neue und schöne Marina mit Top Versorgungsmöglichkeiten.
Die Hauptattraktion ist die eindrucksvolle Wanderdünenwüste. Das alte Fischerdorf musste in seiner Vergangenheit mehrfach wegen den Wanderdünen umziehen, krass.
Jetzt ist alles gut befestigt und ein großes Areal ist abgesteckt, in dem wir das Naturschauspiel bewundern können. Nach 8 km mit dem Elektrobusschen durch lichtdurchflutete Kiefernwälder erreichen wir unser Ziel. Dann stehen wir mitten drin, ganz oben auf einer Düne. Beachtlich, knatschblauer Himmel, vor uns glitzert die Ostsee, überall feinster weißer Sand. Ein Brautpaar hat sich diese Kulisse fürs Familienalbum ausgesucht. Kinder und Erwachsene tollen im Sand und rollen sich die Dünen runter. Lebensfreude pur.
Hallo Land-Leute, kommt eine kleine Prise Fernweh bei Euch an?