Vor der Überfahrt auf die Insel Ruhnu in der Rigaer Bucht laufen wir Skulte (Ostküste Rigaer Bucht) an. Schlafen, und weiter geht es zum nächsten Ziel.
Der Ableger morgens in Skulte ist schwierig. Mit Windstärke 4 Bft. werden wir an die Pier gedrückt, keine Chance, zumal wir nicht mit der Schokoladenseite (Steuerbord) festgemacht hatten. Jürgen dampft in die Vorspring ein und ich drücke uns mit dem Bootshaken ab,…… geht doch.
Wir laufen gut, Wind und Sonne sind mal wieder auf unserer Seite, die Launen des Wetters sind vergessen, 50 sm haben wir vor uns, um 19.45 Uhr machen wir auf der Insel Ruhnu fest.
Na klar, Segeln und die Naturerlebnisse liegen uns am Herzen, bedeuten uns viel.
Wir entdecken ein kleines Paradies. Im Hafen liegen nur drei Segler, Stille, Laubwälder, die gute Luft, es ist eine Freude, hier zu sein, in dieser Abgeschiedenheit. Auch hier ein besonderes Hafenbistro, von Anwohnern bewirtschaftet. Es ist die einzige Einkehr auf der Insel, mit einer sehr schöner Außenterrasse. Ein Treffpunkt für Einwohner, Segler und Gäste, die von Erlebtem berichten, jeder weiß immer etwas mehr als der Erste.
Für jeden Gast wird hier die Landesflagge gehisst, Infos gibt es nur per os, also von Mund zu Mund. 60 Menschen leben auf der Insel, und laut Hafenmeister nur Chefs und Kinder?
Abends sitzen wir mit einem Pärchen beim Bier zusammen und erzählen, alles alte Hasen, was die Ostsee angeht. Wir speichern die vielen Empfehlungen. Dazu gesellen sich Deutsche aus Bremen, die vor 10 Jahren ein abgewirtschaftetes Gehöft auf der Insel vom Bruder geerbt haben. Nebst Familie mögen sie diese Naturidylle und verbringen ihre Ferien auf dieser grünen Insel, von Bremen, 2 Tage Anfahrt. Auf dem verwilderten Grundstück ist eine kleine Oase entstanden. Wir trinken gemeinsam Tee, bewundern den neuen Herd und staunen über die vorsichtige Restaurierung bei gleichzeitigem Erhalt des Ursprünglichen. Wie lebt man hier in dieser Einsamkeit?
Die Insel Ruhnu mit seinen Kuriositäten war eine Segler-Empfehlung. Es gibt nur einen Zebrastreifen auf der Insel, der ist angelegt worden, weil man wissen wollte, ob eine bestimmte Farbe auf Asphalt witterungsbeständig ist. Keine Autos, nur öffentliche Personen dürfen fahren. Dann fanden wir den Familienspaten mit drei Handgriffen und den Hinweis, im Wald darf nicht gesegelt werden. Und tatsächlich, wenn man hier einkaufen geht, bei gutem, aber geringen Angebot, kann es schon mal heißen: „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht.“ (Buch – Dieter Moor)
Von Ruhnu nach Pärnu sind es 62 sm. Bei anfänglich gutem Wetter müssen wir später kreuzen. Da die Häfen bis jetzt weit gestreut sind, betragen die Schläge immer ca. 50 – 60 sm, für mich als Newcomer nicht immer ein Spaziergang durch das Wasser. "Es ist wie es ist" sagt wer? (Erich Fried)
Pärnu, ein Extrem zu Ruhnu, es liegt in der nördlichsten Ecke der Rigaer Bucht. Ein Eldorado für Freaks aus Schweden und Finnland. Hier treffen wir Hardcore-Segler. Jürgen meint, neben denen bin ich ein Weichei………… geworden.
Wir liegen als einzige Fahrtensegler zwischen gestylten Regattabooten, ein Teilnehmer ist noch nicht eingetroffen.
Morgen findet hier die Estonian Champion Ship statt und ab nächste Woche die European Champion Ship, beides mit internationaler Besetzung. Eine tolle Stimmung inmitten der hochmotivierten Segler. Ein Body schöner als der Andere. Gepaart mit ganz viel Lebensfreude ist der Adrenalinkick überall zu spüren.
Im großen Hafen- oder Clubhausrestaurant ist Backstage Atmosphäre. Wir tauchen ein, unterhalten uns mit Seglern und erfahren, dass unter Deck nur das Nötigste zur Verfügung steht / mitgenommen wird. Jeder weitere „Anstrich“ bringt Gewicht und verringert die Chance, zu gewinnen. Aber Energie-Drinks kistenweise an Bord, Ha-Ha-Ho. Geschlafen wird im Hotel. Wir legen einen weiteren Hafentag ein, aber einen Echten, also kein Sightseeing im Städtchen. Später verholen wir unsere Yacht, der Liegeplatz wird benötigt. Da keine weiteren Anlegemöglichkeiten frei sind, nutzen wir die einzige Möglichkeit, eine Schrottpier, auf eigene Gefahr, s. Galerie.
Tschüss Pärnu, es war schön bei Euch.
Montag, 10. August, bei leicht gekräuselter See und einem Windhauch von 1 Bft. starten wir Richtung Kihnu, eine kleine Insel gelegen vor Pärnu , 24 sm entfernt. Auch Kihnu ist eine naturbelassene Idylle, hat aber durch die vielen Fährverbindungen mehr Kontakt mit der Außenwelt und bietet weniger Abgeschie- denheit.
Nach der ersten Nacht verholen wir das Schiff auf die andere Seite des Stegs, starker Wind hatte uns eine unruhige Nacht beschert. Ausgedehnte Spaziergänge durch lichte Laubwälder und an einsamen Stränden machen Laune und bringen Lebensfreude pur. Puschel tobt durch den Wald, er ist in seinem Element.
Wir lernen ein junges Pärchen aus Dresden kennen, die seit dem 5. Mai mit ihren beiden Söhnen, 3 und 5 Jahre alt, die Ostsee rechts herum segeln. Ganz fröhliche Menschen, die ihren Kindern einen bemerkenswerten Radius an Selbstständigkeit zutrauen, ziemlich angstfrei. Bis Ende September sind sie unterwegs, Kinderbetreuungszeit. Abends trinken wir ein Glas Wein zusammen. Also wir trinken Wein, die Beiden trinken mitgebrachten Rum aus Weingläsern, Schrebergarten/Innenhof Idylle in der DDR, erfahren wir, alles einfach schön. Da wir in entgegengesetzten Richtungen Kurs aufnehmen, erweitert der Tausch von Hafenhandbüchern unseren Dialog.
Wir tauschen Erfahrungen aus, hören von ihrer einjährigen Kanadareise, einen tollen Reisebericht liefern sie uns. Die beiden haben auch noch während des Ostsee Törns ihre Wohnung über 5 Monate untervermietet, 3.000,- Euro cash. Felix meint, man muss es einfach machen und wir glauben es ihm. Wir erfahren, dass die Toilettenhäuschen in den schwedischen Seekarten Marker für die schönsten Liegeplätze in den Naturhäfen sind. Überhaupt war das eine anders tickende Familie, bestens ausgestattet mit Daseinsfreude.
Am Freitag, dem 14. August laufen wir in Kihnu aus. Der Wind soll zunehmen, das heißt, früh aufstehen. Bei stark auflandigem Wind starten wir ein aufwendiges Verholmanöver. Wir müssen mit dem Bug in den Wind. Eine Stunde lang, Meter für Meter, ziehen wir das Schiff herum. Jürgen ist an Land und holt die Leinen durch, ich bediene die Leinen nach Jürgens Anweisungen von Bord aus. Welche Leine soll wo gelegt werden, wir mussten gegen den Druck des Windes noch die Boje ausklinken. Eine spektakuläre Aktion, die viel Erfahrung verlangt, Jürgen ist in seinem Element.
Wir segeln eben nicht da, wo die Möwen spazieren gehen.
Zwei schöne Städte warten auf uns, Happsalu und Tallinn.