Leben auf der „Papagena“ - Sehnsucht, Schleusen, Städtetouren
CitaLindemann und Jürgen Brückner zieht es mit der Motoryacht in die Ferne
Von Martina Wirthwein
Wormser Zeitung / Am Wochenende / Samstag 25. Januar 2020
W O R M S
Ab und an weiß ein Autor nicht, womit er anfangen soll. Zu viele Eindrücke schwirren nach einem Gespräch im Kopf umher und mindestens genauso viele Ideen, wie der Start in die Geschichte verlaufen könnte. Wo also fangen wir an? Bei diesem hübschen blauen Haus in Stralsund, das bald nach dem Einzug wieder verkauft worden ist? Von der Tochter, der nach der großen Ankündi- gung ein „Wie geil ist das denn“ entfuhr oder indem wir etwas in der Zeit zurück-springen und von der Segeltour "Die Ost-see links herum" erzählen, die das Abenteuer „Leben auf dem Schiff“ eingeläutet hat?
L E U T E
Na also, jetzt sind wir ja schon mittendrin in der Geschichte, die von Cita Lindemann (72) und Jürgen Brückner (70) handelt, die fast alles auf dem Land zurückgelassen haben und sich 2017 für ein Leben auf der eigenen Motoryacht entschieden haben. Eine Motoryacht, die zum Zuhause geworden ist und die beide in den warmen Monaten bevorzugt die Kanäle und Flüsse Hollands, Frankreichs, Belgiens und Deutschlands hinauf und hinunter fährt – Schleusenabenteuer, Naturschauspiele, unvergessliche Städtetouren und nette Bekanntschaften inklusive. Ganz nach Gusto, aber stets nach akribischer Planung. Denn einfach so in den Tag hineinleben ist unverantwortlich in den Augen eines Skippers. Karten müssen gelesen, die nächsten Ziele ausgelotet und natürlich geprüft werden, ob in den Häfen Platz für die „Papagena“ ist. So heißt das Zuhause des Ehepaares. Getauft nach Papagenos Frau in der Oper „Die Zauberflöte“, denn sie ist "unkompliziert und fröhlich, naturverbunden, stark und zuverlässig zugleich“, erklären Cita und Jürgen die Namenswahl. „Papagena“ ist eine echte Powerfrau. 14,90 Meter lang und 4,40 Meter breit bei einem
Tiefgang von 1,10 Metern und einer Wohnfläche von rund 50 Quadratmetern. Die Auflistung ist umfangreich und detailliert und das kommt nicht von ungefähr, denn Jürgen Brückner hat den Boots- führerschein seit rund 40 Jahren in derTasche und ist als Skipper sozusagen mit allen Wassern gewaschen.
Ohne Ahnung von Elektrik und Technik ist man auf so einem Schiff auch aufgeschmissen, betont er.
Das Gespräch findet an Land, im Hagenbräu am Rhein statt, denn das Schiff liegt winterfest gemacht im Hafen im niederländischen Harlingen. „Wir kommen regelmäßig nach Worms, unter anderem um Arzt- termine wahrzunehmen. In dieser Zeit wohnen wir bei Freunden“, erklärt Cita Lindemann. Und wer bei diesem Namen etwas klingeln hört: Die Seniorin hat 25 Jahre lang eine Naturheilpraxis in Worms geführt. Hier war sie in erster Ehe verheiratet – in der Nibelungenstadt sind auch ihre Kinder geboren.
Ihren Jürgen, der ursprünglich aus Niedersachsen kommt, aber in Kaiserslautern rund 40 Jahre gelebt und gearbeitet hat, hat sie über das Internet kennengelernt. Seit 2013 sind sie verheiratet und lieben ihre Patchworkfamilie. Das eigene Alter spielt bei beiden eine eher untergeordnete Rolle. Jetzt wird gelebt – alles andere interessiert erst mal nicht. „Wenn Probleme da sind, kümmern wir uns darum. Nicht vorher.“ Billig ist das Leben der beiden salopp gesagt nicht. „Man muss wissen, worauf man sich finanziell einlässt.“ Ein bestimmter Kostenapparat sei notwendig, um das Schiff zu unterhalten. „Das ist nicht zu unterschätzen“, erklären die beiden.
Denn auf demSchiff gibt es immer was zu tun. „Jürgen könnte die ‚Papagena` auseinander - und wieder zusammenbauen“, bestätigt Cita Lindemann.
Doch bei aller Liebe fürs entschleunigte Leben auf dem Schiff: Vermisst man denn nicht was beim Gedanken ans frühere Leben an Land? Lindemann nickt mit nachdenklichem Blick. „Der regelmäßige Kontakt zu unseren Freunden, Zeitung lesen, in der Pfalz wandern und Radtouren unternehmen. Ja, das ist das, was ich vermisse“, sagt sie. Das sei aber kein Grund, dem Schiff den Rücken zu kehren. So lange es dem Ehepaar gesundheitlich gut geht, wird es also weiterhin Europas große und kleine Häfen anlaufen – und wer weiß, vielleicht werden die beiden ja noch einmal von Belgien aus über Paris nach Worms fahren. Alles ist machbar, mit der starken und zuverlässigen „Papagena“.
Von Martina Wirthwein
www.leben-auf-dem-schiff.de
Ein herzliches Dankeschön möchten wir an die Redaktion der Wormser Zeitung richten - Herr Johannes Götzen (Redakteur) und Frau John (Redaktion). Und besten Dank an Frau Wirthwein für die erfrischend sachliche und informative Ausarbeitung unseres Interviews.