Alltag an Bord

Die ungewohnte Enge auf unserem Schiff und das ständige Beisammensein verlangt ein Stück Bewusstseinsarbeit und bewegt sich zwischen friedlich / fröhlichem Kompromiss und..... manchmal bricht der Notstand aus.

Vereinbarungen auf Augenhöhe und kreative Auseinandersetzungen sind gefragt. Von wegen: "Immer nur Lächeln".

Lebensfreude, Teamwork, Akzeptanz, Rituale, Rücksicht, Nähe und Distanz, an dem Muster stricken wir. Und wenn mal eine Masche läuft, soll man sie festkleben, meint Pumuckl. Aber so einfach ist es natürlich nicht. Hier wird nichts geklebt, alles solides Bauwerk und manchmal echte Beziehungsarbeit.

 

Außer sehr angenehmen Reaktionen auf den Artikel in der Wormser Zeitung vom 25. Januar 2020

Leben auf der "Papagena" - Sehnsucht, Schleusen, Städtetouren (s. Reisen 2020) -  gab es auch Bemerkungen, "das bestimmt nicht ALLES nur schön und so unkompliziert ist", wie es in dem Bericht beschrieben wurde. Enge erzeugt nicht immer nur Wärme, stimmt. Und die "Tücke des Objekts"? So manche böse Überraschung kann die Tücke parat halten, wenn man nicht aufpasst. 

 

Aber, "Alltag an Bord" war ja nicht das Thema des Berichts in der Wormser Zeitung. Erzählen, wie es im fortgeschrittenen Alter ist, "AusZuWandern". Ideen zu realisieren und wie es sich  anfühlt, vom Land auf das Wasser zu wechseln, auf einem Schiff zu leben, das war die Intention. Wie schön es sein kann und welche Veränderungen und Verluste damit verbunden sind.

 

Und, der Hinweis, "das bestimmt nicht ALLES nur schön ist". hat uns auf die Idee gebracht, neben all`den Einblicken in unser neues Leben auch mal von unserem Alltagstrott zu berichten.

 

Ganzjährig auf dem Schiff zu leben heißt auch, schon wieder die "Alte Leier" - Eintönigkeit - Rituale. Oder: Keiner darf, weil er sauer ist, das Schiff verlassen (Sondervereinbarung) - und, obwohl Nähe Vertrautheit impliziert, ist Distanz auf Wunsch einzuhalten. Eine Armlänge reicht manchmal nicht aus. Ich bin gut, wenn es um mentalen Abstand  geht "Jetzt ist Cita-Time", bis ......18.00 Uhr. Jürgen mag das nicht, mit fallender Tendenz. Rituale oder Strukturen entspannen den Alltag, geben Orientierung und Halt, und sie tun unserer Seele gut. Jürgen bereitet jeden Morgen das Frühstück vor, Luxus für mich. Bis auf "Spezialgerichte", die nur Jürgen anrichten kann, koche ich, immer lecker. (Manchmal zu viel Cilli oder Knoblauch). Wenn Gewohnheiten zunehmen, habe ich Lust auf Veränderungen, Jürgen findet das anstrengend. 

 

Die aktivste  Zeit, auch aus organisatorischer Sicht, erleben wir während der Saison. Mit unserem Schiff, 15m lang und 21 t schwer, ist es fast wie in einem LKW / 40 t und einer Länge von ca. 13,5 m. Umsicht ist gefragt und Sicherheit in der Bedienung. Ich lerne gerade, die Grenzen des Schiffes einzuschätzen, vor allen Dingen die Durchfahrt von engen Schleusen will ich lernen. 23 davon am Tag sind eine Herausforderung. Wir sind mittlerweile ein gutes Team. Wehe, es kommt uns jemand an solchen Tagen besuchen, bitte keine Ablenkung. Schleusenmarathon ist immer anstrengend, eine Herausforderung, aber es ist auch gut so. Manchmal sind zwischen vielen Treppenschleusen keine Anlegemöglichkeiten,  also, Augen zu und durch. Der westliche Teil des Rhein-Marne-Kanals bis Nancy ist so eine umfangreiche Schleusen-Tour. 

 

Welchen Hafen steuern wir an, ist der Tiefgang ausreichend, gibt es 15m lange Liegeplätze, reserviert wird nicht. Telefonieren. Mit dem Heck können wir nicht anlegen, also brauchen wir, wenn möglich, einen Anleger längsseits zur Pier. Logbuch führen.  Jede Brücke oder Schleuse erfordert eine Anmeldung über Funk oder per Telefon und wird im Logbuch vermerkt. Ebenso alle Häfen, die wir anfahren bzw. besondere Ereignisse sind im Logbuch nachzulesen. Haben wir Strom und Wasseranschluss ? Autark stehen uns vier, maximal fünf Tage zur Verfügung.

Müssen wir einkaufen, ist ein Supermarkt in der Nähe. Nach längeren Touren haben wir manchmal keine Lust, abends zu Kochen. Wo kann man lecker essen?

Wie gestalten wir die Hafentage, gehen wir auf Städtetour? Wo ist das Tourist-Office. Die Räder müssen von Bord. Wir haben einen Kran bauen lassen. Es ist jetzt ein Kinderspiel, die Räder über die Reling zu hieven.

Rein Schiff - alles pflegen und säubern, Jürgen Außen, Cita Innen. Für die Ecken gibt es eine Fugenbürste, kein Scherz. Die Zahnbürste haben wir ausrangiert. Und mit einem speziellen "Lederputzwischmob" (185,- Euro mit Stiel) reinigt Jürgen, neuerdings auch Cita morgens das Schiff, wenn es vom Tau feucht geworden ist. 

Wir sind immer in Bewegung, im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Grenzerfahrungen sind Gott sei Dank eine Seltenheit: 

- Das Schleusentor schließt, das Schiff fällt, ich (Cita) habe mich durch ein Gespräch ablenken lassen und 

  die Leine nicht gefiert (Lose gegeben), die Papagena hing an der Schleusenwand, ein Albtraum.

- Gott sei Dank waren wir gerade aus der "Merwede" in den "Merwedekanal" abgebogen, auf der Höhe von

  Gorinchem. Die Papagena war plötzlich manövrierunfähig. Mit der Welle/Motor zur Schraube, gab es ein

  Problem. Da Gefahrensituationen zu Jürgens Ausbildungsprogramm gehörten, hat er uns gerettet. :-0

- Auch das manövrieren in großen Schleusen, neben Berufsschiffen und Ausflugsbooten, aber ohne unser

  Bugstrahlruder (es musste repariert werden), war eine Herausforderung.

 

Was wir nicht haben: Gute Freunde zum Essen einladen - Kino-Theater. Überhaupt, der face to face Kontakt mit der Familie oder Freunden ist reduziert. Das ist für mich ein Verlust.

Aber, wir lernen immer wieder nette, liebenswerte Menschen kennen, die auch auf einem Boot leben. Abends, bei Wein, Käse und Oliven sitzen wir beisammen und es gibt so viel zu erzählen. Erfahrungen werden ausgetauscht. Ein kleines Trostpflaster.

Für die Unterhaltung sorgen wir selbst: Gesellschaftsspiele - Gitarre spielen - Djembe - Lesen - Kochen - oder nichts tun, also klüngeln - walken - radeln - schwimmen gehen ist nicht so mein Ding. Mit Französisch habe ich noch nicht begonnen :-(   Jürgen ist fleißig. Naja, und Television, wir sind Arte- und Film-Freaks. 

 

Die Bearbeitung der Internetseite, mein Hobby, braucht Zeit und Muße. An Bord ist immer viel zu tun, Jürgens Metier. Ich denke jedes Jahr, so, jetzt ist alles fertig, aber das stimmt nicht. Das Schiff garantiert Dauerbeschäftigung. Gut so, jeder ist in seinem Element, hat Zeit für sich und seine Aufgaben.

Wichtig für uns ist eine ähnliche Vorstellung von Ordnung. Alles andere wäre in unserem Rahmen nicht akzeptabel.

In Worms hat uns der Kauf von Wanderstöcken einen halben Tag beschäftigt, keine Chance. Über Amazon hatten wir später RatzFatz die richtigen Stöcke. Für uns ist diese Bestellplattform ein Gewinn.  In fremden Städten reicht die Zeit nicht, haben wir keine Lust, Fachgeschäfte zu suchen. Internet macht es möglich.

Dann, nach einer ereignisreichen Sommertour freuen wir uns auf die insichgekehrte Winterzeit. Wir planen die nächste Saison, besuchen keine Museen, fahren Rad, aber nur bis 3 Bft. Wind. Auch die Familien-Freunde-Rundreise zum Jahresende wird geplant. 

 

Eben Alltag, nur zum Teil mit unterschiedlichen Bereichen als an Land.

 

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