Ventspils (Lettland) - Kuressaare auf der Insel Saaremaa (Estland) - Roja – Riga (Lettland)

Die silbernen Noten auf dem Asphalt in Liepaja führen zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt.

Die Bronzestatue „Ännchen  von Tharau“ steht in Klaipeda/Litauen. 

Für die Muße, Reiseberichte zu schreiben, möchten immer einige Kriterien zusammentreffen, also schreibe ich zeitversetzt, nicht live.  Manchmal klönen wir bis spät in die Nacht mit Seglern  (die von rechts die Ostsee umrunden). Gute Tipps werden weiter gegeben, Bücher wechseln den Besitzer, Empfehlungen stehen zur Diskussion. Jedenfalls macht es viel Spaß, Geschichten und Erfahrungen auszutauschen. Dann tauchen wir wieder ab in unsere Zweisamkeit.

 

Die  Blaue Kuh in der Hafeneinfahrt von Ventspils,  sie stammt aus einem weltweiten Projekt "Öffentliche Kunst". Es wurden Kühe in Übergröße aus Fiberglas hergestellt und in einer Gemeinschaftsaktivität angemalt (Künstler, Kinder, Menschen vor Ort). Nach Städten wie New York, Chicago, Sydney u.v.m. hat  Ventspils 2002 als erste osteuropäische Stadt die „Kuhparade“ organisiert und ausgeführt. 26 Kühe wurden ausgestellt, 6 sind noch in der Stadt zu bewundern, 20 wurden verkauft.

Wir segeln von Ventspils direkt nach Kuressaare auf der Insel Saaremaa, 60 sm. Wind aus SSW mit 2 Bft. Auf dieser Fahrt beschäftigen uns zwei Dinge: unter Motor fahren oder  Segel setzen, immer abwechselnd. Bei so wenig Wind dümpeln wir von einer Welle zur Anderen. Ihr müsst wissen, Jürgen ist ein „Echter“. Der Motor wird nur eingeschaltet, wenn auch mit dem Fernglas am Horizont kein Wind zu erkennen ist, und das dauert. Endlich, um 14.00 Uhr Wind und…. Regen, Jürgen setzt seinen „Südwester“ auf, Segel raus und los geht’s. Der Wind hat wieder das Kommando übernommen.

Das waren lange 10 Stunden bis zum Hafen Kuressaare, um 18.20 machen wir fest.

Die Fahrt durch den betonnten Kanal in das Hafenbecken war beeindruckend.  Aufgeschüttete  Dämme bieten Lebensraum für Möwen und ihre Brut, sie sind zum Greifen nahe.

 

In der Einfahrt zum Hafen wurden wir mit einem Solokonzert auf dem Saxophon begrüßt. Ein Finne spielte verträumte Weisen, nur für uns?

Die Marina ist ziemlich neu, toller Service und viel Jugend. Alles Top und ein Bistro nach unserem Geschmack. Mit unseren Englischkenntnissen sind wir mitten drin im Geschehen. Wir erzählen und lachen mit den Menschen, auch Seemannsgarn, in dem nach jedem Bier die Wellen einen Meter höher werden.

Der Ort Kuressaare ist für die Einheimischen ein beliebtes Feriendomizil und Segelparadies. Wir möchten die Insel erleben, das Wetter macht Laune, blauer Himmel bis weit in die Ferne.

Die Empfehlung, ein Auto für eine Inselrundfahrt zu mieten, ist Gold wert. Wir durchqueren den Vilsandi-Naturpark. Duftende Kiefernwälder, Wacholdersträucher, Obstgärten und Weiden rechts und links. Radwege endlos, idyllisch gelegene Anwesen mit den typischen Holzhäusern, kaum Verkehr. Trotz Hauptsaison sind wenig Menschen unterwegs.

Den Meteoritenkrater von Kaali schauen wir uns an. Vor 4.000 Jahren schlug hier ein Meteorit ein. Bis 1930 hat man über seine Herkunft spekuliert. Beim Einschlag auf die Erde hatte das Ding 10 – 20 kmh drauf, das müsste eine Masse von 45 Tonnen gewesen sein und hinterließ einen Kratersee. Der amerikanische Astronom C. Fischer hat den auf dem Kreiswall liegenden, schönen Pfad den Weg der Verliebten genannt.

Wir fahren von Kuressaare nach Kaali – Kaarma – Kirikuküla – Luulupe …….  :-0

Links führt ein Weg auf einen Waldfriedhof. Süße Walderdbeeren säumen den Weg.  Die Sonne zaubert Licht und Schatten, eine betende Frau in Stein gemeißelt hält augenscheinlich Wache. Was gibt es viel zu sagen? Wir hängen unseren Gedanken nach.

 

Ein Schnäppchen für die Kamera sind die Bushaltestellen auf der Insel. Bisher sicher nirgends erwähnt, passen sie stilistisch zu der Liebenswürdigkeit der Menschen hier.  Wir fahren quer über die Insel, sehen verträumte kleine Häfen, alte Kirchen aus Stein und wagen einen Blick von der 23 m hohen Steilküste.

Der nächste Tag bietet Dauerregen. Wir vertrödeln den Tag an Bord. Selbst ein Stadtgang in Kuressaare reizt uns nicht.

Am  21. Juli  legen wir früh Richtung Roja ab, bei Regen. Und auch heute wieder; Motor an, Segel rein, Motor aus, Segel raus. Ein Ausgleich für den verregneten Tag ist die Vorfreude auf die Familie.

 

Roja hat einen Hafen, der zu der Regenwolken passet. Wir starten einen Großeinkauf für unseren Besuch und gehen früh schlafen.  Knapp 60 sm bis Riga liegen noch vor uns.

Wohnen auf dem Schiff. Und so sieht es unter Deck aus. Solider Komfort gepaart mit einem hohen Nutzungswert. Wir müssen nicht improvisieren. Komfort und Einrichtung des Schiffes ermöglichen Behaglichkeit, leckeres Essen und gemütliches Beisammensein. Die große Arbeitsfläche, Gasherd und Backofen, hier können wir bequem und gut kochen.

Wir haben nicht nur für jeden einen Löffel und eine Gabel an Bord und müssen auch nicht aus Dosen essen.

Mehr Bilder von der Innenwelt der Amanita könnt ihr in der Galerie betrachten.

Um 9.00 Uhr laufen wir in Roja aus. Bei gutem Wind von 4-5 Bft. reffen wir die Segel minimal und machen 6,5-7 kn/Std., alles ist richtig. Jürgen ist fit im Trimmen der Segel und wir erreichen Höchstgeschwindigkeiten, da lacht das Seglerherz, es ist einfach nur schön.

Eine Woche zuvor  haben wir im Stadthafen Riga einen Liegeplatz reserviert, mit dem Hinweis, dass wir kleine Kinder an Bord haben. Und richtig, der Hafenmeister gibt uns einen Platz, wo Deck und Pier auf einer Höhe sind. Um 18.20 Uhr werfen wir die Leinen über, machen fest. Selbst unser Hund Puschel kommt alleine an Land.

Nach einem erholsamen Schlaf sind wir schon früh auf den Beinen. Heute ist umräumen, aufräumen, putzen angesagt. Jürgen übernimmt das Deck und bringt unsere Amanita mit viel Liebe auf Hochglanz. Ich will sagen, er macht es gerne. Unter Deck ist mein Bereich. Für die Enkeltochter basteln wir einen Hochsitz.

Um 18.30 Uhr kommt die Familie mit dem Taxi direkt an die Pier. Ein kleines Wunder, das Alles trotz Schießgebieten, starken Winden und Schaden am Rollsegel so gut geklappt hat. Bis zum 28. Juli feiern wir ein Maxi-Familienfest und genießen unser Zusammensein. Zu unserer Freude erleben wir ein Jazz-Festival auf dem Domplatz.  Was für eine Stimmung, und Jazz vom Feinsten. Ansonsten lassen wir uns durch Riga rollen. Ein wenig Sightseeing, gemütliche Gartencafes, und zur Freude der Kinder,  Spielplätze, Hafenrundfahrt mit unserem Beiboot, oder wir toben im Pool am Hafenbistro.

Jürgen - "Was hat Dir in Riga am Besten gefallen?" - O-Ton unser Enkel - "Das wir auf dem Spielplatz waren." "Und was am ZweitBesten?" - "Das wir auf dem anderen Spielplatz waren!" 

 

Riga ist eine First Lady unter den europäischen Großstädten und bekommt ein Extrablatt im Reisebericht.

 

Riga, das Paris des Nordens, also eine Stadt der Verliebten? 15 Minuten bis ins Centrum.  Mittelalterliche Bauten sind nach dem Krieg wieder aufgebaut worden und im Gefüge mit dem liebevoll  restaurierten Stadtkern kann man den Charme dieser Stadt ahnen. Die Vielfalt der Architektur ist umwerfend und für jede Fachfrau / -mann ein Augenschmaus.  Kleine Cafes neben Restaurants, in sorgfältig renovierten Häusern untergebracht, die europäisch angehauchte, lettische Küche auf Ihrer Speisekarte anbieten. Einfach himmlisch, mit kleinen kulinarischen Highlights. Wir nehmen uns Zeit und genießen alles.

Eine Kunstszene ist überall vertreten und unterstreicht mit seiner Vielfalt und witzigen Ideen  den Charme der Stadt. Und dazu die Menschen, die gerne hier sind, auch sie tragen dazu bei und bringen Flair in die Stadt.  Plätze und Boulevards sind gut bevölkert, es wirkt nie überfüllt. Allerdings hören wir, dass Einheimische sich aus der Altstadt zurück gezogen haben.

 

In Riga ist die Liebe zur Musik allgegenwärtig. Straßenmusiker, kleine Bands, Solisten mit Gitarre oder Akkordeon, sie alle unterhalten das Publikum mit feiner Musik. Die kulturbegeisterten Riganer haben mit ihren erstklassigen Aufführungen und dem internationalen Starangebot ihr Opernhaus über die Grenzen des Landes hinaus bekannt gemacht. Sie nennen es zärtlich Das weiße Haus. Hier eine Aufführung zu sehen, wäre ein Bonbon auf unserer Reise gewesen.   

Touri-Restaurant`s und Massengastronomie, die mit ihren Megasonnenschirmen die schönen Häuserfronten zustellen, stören die empfundene Sinnlichkeit in dieser  Stadt, man muss es ignorieren.

 

Um die Zeppelin-Hallen (heute Markthallen) zu erreichen, spazieren wir durch die weitläufigen Parkanlagen, die die Altstadt umgeben. Durchzogen mit kleinen Kanälen mussten die Stadtmauern weichen.  Die fünf Hallen standen früher unbenutzt am Bodensee und wurden von Deutschland als Reparationsleistungen nach dem Krieg den Letten übergeben, so wird erzählt. Ein riesiger Markt ist hier entstanden. Hier erlebt man ein anderes Riga. Wir tauchen ein in ein unübersehbares, geordnetes Chaos und genießen die Lebendigkeit um uns herum mit seiner Vielfalt, seinen Gerüchen und dem grandiosen Angebot. Bitte zur besten Geschäftszeit hier sein und auf jeden Fall hungrig.

Die Restaurierungsfreude hat am Rande der Altstadt Halt gemacht, dafür findet man hier vermehrt die Einheimischen und ihr Geschäft. Auffällig sind die schönen Frauen, in Top Garderobe und schwindelerregenden Highheels, und das bei dem Kopfsteinpflaster.

Die Bauern mussten im Mittelalter, wenn sie in die Stadt wollten, zwei große Steine als Wegzoll abliefern. Das zu der Geschichte des Kopfsteinpflasters in Riga.

Und die Katze auf dem Dach zeigt mit ihrem Hinterteil zur „Rigaer Börse“?  Sie „scheißt“ den hanseatischen Kaufleuten auf das Dach, die den Kaufmann nicht als Mitglied aufnehmen wollten.

 

So baute er das prächtige Katzenhaus, stimmt`s ?

Die Sanduhr von Riga. Auch ein Wahrzeichen?  Wofür ?

Subunternehmen bieten Stadtführungen in allen Sprachen an. Da sie vor der Touristinfo auf dem Rathausplatz das Angebot dominieren, buchen wir 2 Stunden.

Sie hat uns schöne Häuser gezeigt, viel geredet, aber eigentlich haben wir wenig von Riga erfahren. Was sagt Otto dazu? „Und ärgern und ärgern“

 

Riga ist übrigens die zweitälteste Stadtgründung nach Lübeck (Reiseführer). Die prächtigen Bauten aus der Hanse Zeit erinnern an die längst vergangene wirtschaftliche Macht und den Wohlstand der Bürger. Zum Beispiel von dem Schwarzhäupterhaus, den mittelalterlichen  Häusern, die Drei Brüder, oder vom Dom St. Marien hätten wir live gerne mehr erfahren. Reiseführer und Internet haben diese Lücken vortrefflich gefüllt, aber eben nicht, als wir davor standen.

Die Anzahl der Museen (und Galerien) laden locker zu einem 14tägigen Besuch in Riga ein, wir müssen uns entscheiden.  Auch wegen Puschel planen wir  einen kurzen Trip durch die Museenlandschaft.

 

Das Arsenal wird empfohlen, um die junge Kunstszene Lettlands kennen zu lernen. Ein imposanter Bau/19 Jhd., früher war es das Zeughaus.  Auf einer Vernissage stellte ein junger Künstler (Name?) sein neues Werk vor. „Zwei unbeliebte Besucher“, Bei Sekt, Häppchen und guter Stimmung hatte sich hier die Kunstsociety versammelt, ein interessantes Publikum. Es hätte auch in Düsseldorf statt finden können. Das Werk selbst wirkte auf mich extrem minimalistisch. Vielleicht wollte es im Verhältnis zu seiner  einfachen Ausführung eine wichtige, gesellschaftlich relevante Information vermitteln. Zwei Paar menschliche, überdimensionale Fußabdrücke aus Gips führten in einer großen Halle in die Mitte des Raums. Hier war um eine lange Metallstange ein großer und dünner Mensch aus Gips moduliert, der sich nach oben zieht? Uns fehlten die Informationen dazu.

 

Das Kunstmuseum Rigaer Börse bietet eine ansehnliche Sammlung internationaler Kunstwerke. Noch sehr  jung, wurde es  erst 2010 eröffnet. Viel Platz hat man einer großen Sammlung ostdeutscher Maler eingeräumt, die uns in der Gesamtheit zu düster erschien. 

Das KGB-Haus oder The Corner House  war während der russischen und nationalsozialistischen Besatzung das Zentrum der politischen Unterdrückung in Lettland.  Die totale Kontrolle und Verfolgungsmaßnahmen wurden von hier aus gesteuert. 1991 bekam Lettland seine Unabhängigkeit und Souveränität.  Erst 2014 ist das Haus für das Publikum wieder geöffnet worden. Unverändert die Räumlichkeiten, das Mobiliar. Behutsam will man an den Terror der Besatzungsmacht erinnern. In Videoaufzeichnungen schildern Betroffene mit einer monotonen Stimme den damaligen, repressiven Terror. Die vom Schmerz und von Resignation gezeichneten Gesichter spiegeln eindringlich das Erlebte wieder. Was mussten die Menschen erdulden.

Die Eintrittskarte ist auf einen früheren Security Pass gedruckt.

Im gleichen Haus hat eine Gruppe junger Künstler Platz für Ausstellungen eingerichtet, ohne den jahrzehntelangen Verfall der Räume zu beseitigen. Eine unglaubliche Atmosphäre ist zu spüren. Auf dem Schild unten steht: Archaelogy of Memories  Deimantas Narkevicius – Eintritt frei, siehe Galerie. Von langen Korridoren geht man in große Räume, in denen Videoarbeiten und Installationen eindringlich das Thema vermitteln: Spuren der Vergangenheit sollen in Erinnerung bleiben.

Russische Herrschaft und dessen Akzeptanz, Krieg und KGB-Aktionen sind das Thema. 

Ein highlight waren die dezent und toll restaurierten alten Speicherhäuser, Spikeri - Komplex. In einem der Gebäude ist das Museum kim untergebracht. „Was ist Kunst“ heißt kim übersetzt und ist dessen Motto. Junge, einheimische und internationale Künstler  stellen hier ihre teils anspruchsvollen Werke aus. Gute Themen und Ideen, gefällt uns.

Toll fanden wir: slash: in between the normative and fantasy von dem Künstler Gary Everett. Ein paar Bilder dazu in der Galerie oder s.u.. Aussagekräftig, witzig und schrill hatte man der Sexualität in dieser Ausstellung einen dominanten Platz eingeräumt.

Das außergewöhnliche Café Dali ist im gleichen Komplex untergebracht. Gehobenes Ambiente, die Wände sind mit plastischen Motiven aus Packpapier gestaltet, man möchte hier einfach sitzen und sein.

Eintrittsgeld für die Museen, 1,42 Euro / Senioren.

Das war für uns Riga. Wir sind nur ein weinig eingetaucht, hatten Erlebnisse bis in die Zehenspitzen.

Zufrieden und voller Vorfreude segeln wir morgen auf die wärmstens empfohlene Insel Ruhnu in der Rigaer Bucht.

Die historische Sanduhr in der Altstadt Riga gehört zu einem Uhrengeschäft. In der Anekdote ist sie für die Riganer der Hinweis, das Riga auf Sand gebaut wurde.

Das „Katzenhaus“ ist von einem reichen Kaufmann 1909 erbaut worden. Nachdem ihm der Wechsel von der kleinen Gilde in die große Gilde verwehrt wurde, hat er zum Ärger der Gildenmitglieder die Katze auf das Dach setzten lassen. Der Deal war, Katze um drehen, Eintritt in die große Gilde, so erzählt man. Jedenfalls zeigt die Katze mit ihrem Hinterteil heute nicht mehr auf die Rigaer Börse. 

Hier geht es zur Galerie:  Ventspils bis Riga

                                         Riga