Morgens zählen wir aus, wer die Heizung anstellt, nur 14 Grad nachts, ruck-zuck, raus, Knöpfchen drücken und wieder ab in die Koje, bis es gemütlich warm ist. Die Tage sind kürzer geworden, um 20.00 Uhr sitzen wir bereits bei Licht oder Kerze.
Bis 9.00 Uhr geschlafen, fühlen wir uns fit und ausgeruht. Für den Sprung rüber nach Schweden, 40 Seemeilen über das offene Wasser, brauchen wir den richtigen Wind. Hier unter Motor zu fahren, nervt. Wenn es darauf ankommt, haben wir Glück, sag` ich doch. Wir freuen uns über eine super Wetterprognose, S/E Winde mit 3-5 Bft. Mit Rasanz setzen wir über und legen nach nur 6 ½ Std. in Gräddö an. Auf dieser Reise gehen wir öfter abends essen, auch wieder in Gräddö. Lange Tagestouren und spätes Ankommen sind Auslöser für diesen kleinen Luxus. In einer Karaoke Kneipe sind wir mitten in einem Dorffest. Die Anwohner treffen sich zu diesem speziellen Liederabend. Auf dem Programm steht: gute Stimmung, live Gesangseinlagen jeglicher Couleur, pure Lebensfreude, das Essen ist ländlich und schmackhaft.
Megatörns von 40 – 60 Seemeilen/Tag werden wir, wenn möglich, in Zukunft vermeiden. Fünfundzwanzig Seemeilen pro Tag garantieren einen gesünderen Tagesablauf, sind Erholung. Wenn noch nicht vorhanden, spätestens auf solchen Rundreisen erreicht man körperliche Fitness.
Die nächsten beiden Tage zeigt sich das Wetter von seiner Schokoladenseite. Wind satt, beide Segel gerefft, die nächsten Tonnen im Auge, volle Konzentration, so gleiten wir durch die Schären nach Dyvig. Um 15.10 heißt es, Leinen über. Fünfundzwanzig Seemeilen, ein idealer Segeltag.
Wir sitzen in der Plicht. Jürgen weiht unseren Bodum-Milchaufschäumer ein. Im Gespann mit dem Espressokocher produziert er einen köstlichen Latte Macchiato, ganz nach unserem Geschmack.
Die Gipsy Kings CD ist eingelegt, dazu gibt es ein Rinder-Curry a la Cita. Wenn schon Kochorgie, dann für zwei Tage. Wir genießen uns, das Leben, alles ist gut. Von dem Sternenhimmel sehen wir einen kleinen Ausschnitt durch unser Oberlicht im Salon. Mein Skipper sagt, das Oberlicht heißt „Skylight“, das ist seemännisch.
Stockholm, Schwedens schwimmende Hauptstadt, ist eine besonders schöne Metropole. Über 14 Inseln erstreckt sich Stockholm, mit einem phantastischen Schärengarten vor der Haustür. Wenn wir In den Küstenhandbüchern/Ostküste Schweden über die darin gelegenen Naturhäfen lesen und dazu die Schwärmerei der schwedischen Segler hören, dann kommt Wehmut auf, das die Zeit nicht gereicht hat, hier zu sein, um auf dem Schiff durch die Schären zu spazieren. Stockholm und die Schären möchten wir noch einmal anlaufen, vielleicht im nächsten Jahr.
Auf der Höhe von Stockholm liegt Fjäderholmen, eine kleine Insel mit einem Bilderbuchhafen, unser nächstes Ziel. Der Törn hierher ist Schärensegeln vom Feinsten. Es geht nicht nur geradeaus. Mit jeder Kursänderung werden die Segel neu getrimmt. Bei einem dieser Manöver ist ein Bleistift über Bord gegangen. Nach kurzem Ach und Weh hatte Jürgen diesen Verlust verkraftet. :-() :-))) Der Wind schiebt uns mit 4 Bft., in Böen 6, und einer ordentlichen Krängung durch die teils engen Gewässer Richtung Fjäderholmen. Um 13.50 Uhr legen wir an und haben den Rest des Tages vor uns.
Eine rege Fährverbindung verbindet in der Saison die Insel mit Stockholm. Im 19. Jh. gab es Streit zwischen der Regierung und Herrn Smith, der hier in 10 Monaten 1,5 Millionen Liter Schnaps produzierte und verkaufte. Er verlor den Rechtsstreit, ist aber mit dieser Story in die Geschichte eingegangen und hat den Tourismus auf die Insel gebracht.
Minigalerien, Shops, die liebevoll gefertigte Handarbeit anbieten, kleine Museen und gemütliche Gastronomie laden zum Verweilen ein, unterstreichen den Charme der Insel.
Wir unterhalten uns mit schwedischen Arbeitern, die den kleinen Holzhäusern einen neuen Anstrich verleihen, schwedenrot. Es ist Mitte September, die Saison ist zu Ende, alles dicht, null Versorgung. Na ja, so haben wir die Insel für uns allein.
Wir durchstreifen das kleine Eiland, schauen durch die Fenster der Werkstätten, klettern über Felsen. Ein Tanker schiebt sich, zum Greifen nah, zwischen den kleinen Felseninseln zu einem Industriehafen durch. Für einen halben Tag und eine Nacht sind wir die einzigen Insulaner in dieser Naturidylle.
Wer kennt das Kräutchen „Rühr mich nicht an“, warum heißt es so?
Am nächsten Morgen werden wir von quietschenden Fendern geweckt, der Wind hat zugenommen, es regnet. Wir segeln erst gegen Mittag nach Dalarö weiter. Laut Karte liegen verwinkelte und enge Passagen vor uns. Wir fahren die kurze Strecke von 22 sm mit dem Motor. Das Wetter macht einfach was es will und akzeptiert unsere Wünsche nicht.
An den schmalen Stellen halten wir den Atem an, ich jedenfalls. Nur 3 m Tiefgang, aber das ist für uns ausreichend. Die Blumen für den Frühstückstisch könnten wir von Bord aus pflücken. Später verabschiedet sich der Regen. Wir segeln durch ein Spalier idyllisch gelegener Holzhäuser. Eher kleine Schlösser, die die Schweden sich hier gebaut haben, passend zu dem gleich mit angelegten Privathafen für das dazu gehörende Schiff.
Mit jeder weiteren Seemeile setzt sich der blaue Himmel durch. 17.45 Uhr, wir legen im Hafen „Dalarö“ an, gut gemacht, Jürgen. Laut Windfinder pfeift der Wind in den nächsten 2 Tagen uns mit 6-8 Bft. um die Ohren. Am ersten Hafentag werden wir noch verschont und erleben einen herrlichen Spätsommertag. Dalarö ist ein hübsches Städtchen auf einer Halbinsel. Die erste Zollstation Schwedens wurde hier damals eingerichtet.
Der in die Geschichte eingegangene Meeres-archäologe Anders Franzén hat einige Jahre in Dalarö gelebt/gearbeitet/geforscht.
Unter seiner Leitung ist das Schiff, die WASA, 1961 gut erhalten aus dem Stockholmer Hafenbecken gehoben und restauriert worden. Die WASA war im 17. Jhd. das stärkste, bewaffnete Schiff. Bei der ersten Probefahrt ist es schon im Hafen gesunken.
Das hatte ein gerichtliches Nachspiel, aber ohne Konsequenzen.
Der Schwerpunkt der WASA war angeblich falsch berechnet worden. An englischen Universitäten wird das Wasa-Syndrom als Ausdruck für misslungenes Projektmanagement gelehrt.
Zweiter Hafentag/Dalarö, wir gehen in das kleine Hafenrestaurant und essen speziell zubereiteten Fisch. Französisch angehauchte Küche mit einer bemerkenswerten Weinkarte wird uns geboten. Auch Kekse aus der Normandie sind im Angebot. Der Chef erzählt mit seinen Gästen, fragt, ob es schmeckt. Beim Kochen wechselt er sich mit seiner Frau ab.
Hafen und Sanitäranlagen samt Sauna in Dalarö sind Top. Oben auf dem Hügel sehen wir die Residenz des Hafenmeisters, er hat alles im Blick. Seine rechte Hand, er arbeitet ebenfalls für das Touristenbüro, kassiert die Hafengebühr. „Mein Chef sagt, ich soll mal nach euch schauen.“ Später bekom-men wir von ihm tolles Informationsmaterial über die Schären, einschließlich Stadtgeschichte und Anekdoten. Die Menschen haben Zeit, der Tourismus ist in der Winterpause.
Am Samstag, 19. September, laufen wir um 10.25 Uhr aus, Richtung Öja, auf der kleinen Insel Landsort.
Wegen dem milden Klima ist Öja ein Paradies für Ornitologen. Viele Zugvögel legen hier auf ihrem Flug in den Süden eine Rast ein.
Die Erinnerung an den schönen Abend in dem Naturhafen verdrängt den grauen Himmel, 99 Prozent Wolken, der Wind mit 4 Bft. bläst genau auf den Bug und bremst uns auf 3,5 kn runter. Wir fahren unter Maschine.
Ab und zu winkt ein blaues Sommerloch am Himmel. Wir ziehen es mit dem Bootshaken hinter uns her und siehe da, er setzt sich durch, der blaue Himmel. Viele Wochenend-Segler sind unterwegs.
Öja ist ein winzig kleiner Naturhafen zum Träumen, Grillen, saunieren, ins Wasser springen, malerisch schön, ohne kommerzielle Angebote.
An der einzigen Pier hatte sich ein Segler breit gemacht. Der Hafenmeister kommt zu uns, entschuldigt sich für die halbe Pier, die uns zur Verfügung steht. Beim fest machen improvisieren wir, versuchen es mit dem Siemens Lufthaken und ein paar Zusatzleinen.
Als später die Sonne über Bug im Meer versinkt und wir einmal mehr diese einmalige Kulisse genießen, hängen wir unseren Gedanken nach. Das schöne Foto im Anhang zeigt, was wir nicht mit Worten beschrei-ben können.
Am nächsten Morgen verwöhnt uns ein schöner Septembertag, kein Wind. Wir gleiten im sanften Wellengang durch die blaue See, unter Maschine versteht sich, Richtung Arkösund. Jürgen beschwert sich: "Gestern zu viel Wind, aber von vorne, heute zu wenig Wind, aber die Richtung stimmt." Auf dem provisorischen Navigationstisch arbeitet er die nächsten Routen aus, ich sitze unten und schreibe am Reisebericht. Für Jürgen heißt das, süß, süßer…….. der Snickers-Verbrauch steigt.
Schon um 16.00 Uhr klickt der Bojenhaken ein, wir machen fest in Arkösund. Als Jürgen den Motor ausmacht, wird uns bewusst, wie lästig das Maschinengeräusch bei dieser stillen See sein kann.
Ein Spaziergang durch den Mini-Mini-Ort tut uns gut. Schöne Häuser inmitten von Obstwiesen. Hier wachsen die Herzäpfel, und die Lieblingsblumen der Arkösunder sind Rosen, in allen Farben. Keine Menschenseele ist in Sicht. Der Ort scheint schon im Winterschlaf versunken zu sein.
Um 21.30 Uhr liegen wir in den Kojen.
Der nächste Morgen küsst mal wieder die Seelen. Mittlerweile empfinden wir es als einen besonderern Reiz, außerhalb der Segel Saison unterwegs zu sein.
Wir legen ab und nach nur 19 sm gleiten wir in den Hafen von Fyrudden. Ein Zwischenstopp für eine Nacht. Am 22.09.2015 geht es weiter nach Västervik. Die Winterzeit beginnt hier Ende August. Für 2 Tage bleiben wir in der sehr komfortablen Marina mit einem gemütlichen Gästetrakt, Holzterasse, Liegestühlen, Swimmingpool. Aber dafür ist es leider zu kalt. Sauna-Waschmaschine-Trockner, fast wie zu Hause. Waschtag ist angesagt, chillen und sightseeing. Jetzt wieder über das falsche Wetter zu schreiben, ist langweilig. Abends singen wir, Jürgen spielt Gitarre.
Wir unternehmen ausgedehnte Spaziergänge in und um Västervik und lassen uns von den fremden Eindrücken ablenken.
Der nächste Tag verspricht alles, was wir brauchen. Wir planen einen Ankertag im Naturhafen.
In den Schären von Schweden einen Naturhafen anzusteuern, nur mit Plotter und nach Sicht ankern, erst das ist Schärensegeln. Wir haben beide etwas Muffe, sind aber auch neugierig, was uns erwartet. Die Amanita ist ein Dickschiff, behäbig, kein wendiger Schärensegler.
Freitag, 25. September. Die Einfahrt in den Naturhafen Stora Käringskär liegt vor uns. Das Echolot zeigt die vorhandene Wassertiefe unter dem Schiff an, aber nicht, was voraus ist.
Vorsichtig tastet Jürgen sich in die Bucht. Unser Segler mit 1.85 m Tiefgang verlangt Fingerspitzengefühl. Es ist unkomplizierter, als wir gedacht haben. An den Felsen fest machen, geht nicht, zu flach. Also werfen wir Anker, aktivieren unser Dinghi und fahren auf die Insel.
Unberührte Natur begegnet uns. Über flache Felsen erkunden wir die Insel. Alles Neuland, den Eindruck haben wir. Hier war noch nie eine Menschenseele, ein fremdes aber auch schönes Gefühl.
Bei einem Glas Wein sitzen wir abends in der Plicht. In dieser Abgeschiedenheit genießen wir die Stille und den grandiosen Sternenhimmel. Es ist der schönste Tage auf unserer Reise.
Der eigentliche Reiz, in den Schären unterwegs zu sein, ist das Ankern in den Naturhäfen. Der Landgang kann wild-romantisch sein, macht Lust auf Abenteuer. Aber alle Bedürfnisse, die kommerziell bewältigt werden müssen, bitte am Festland erfüllen, hier gibt es nur pur Natur.
Wenn Wind und Wetter es erlauben, wird jetzt jeden Tag gesegelt. Es ist kalt geworden, der Herbst mit unruhigem Wetter erschwert das Segeln, es ist Zeit, den Heimathafen anzusteuern.
Gemeint ist das gemeine Springkraut. Werden die länglichen Samenköpfe des Kräutleins vorsichtig mit den Fingerspitzen gedrückt, springen sie explosionsartig auseinander, verteilen den Samen und man erschrickt sich ein wenig, ich jedenfalls. Darum: „Rühr mich nicht an“
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