Hel (Polen) - Liepaja – Pavilosta – Ventspils (Lettland)

Der Törn nach Liepaja wird vorbereitet,  140 sm, knapp 280 km liegen vor uns. Die russische Enklave Kaliningrad muss umsegelt werden, das heißt, 24 Std. am Ruder stehen.

Kleipeda / Litauen wäre eine erholsame Zwischenstation gewesen, werden wir aber nur steuerbord passieren. Zu starker, auflandiger Westwind verbietet ein Hafenmanöver.

 

Wetterbericht studieren, „Wetter online“ oder „Windfinder“ -  Kurse ausrechnen und in die Seekarte eintragen. Trotz GPS ein Muss, falls der Strom ausfällt. Die Karten liegen immer griffbereit und wasserdicht verpackt auf dem Nav-Tisch (Navigationstisch)  - die  Ventile in den Nasszellen schließen, damit die Ostsee „draußen“ bleibt, d. h.  kein Wassereinbruch möglich ist  – Brote,  Obst und heiße Getränke vorbereiten – wegen der Krängung  des Schiffes muss alles gut verstaut werden –  Schränke und Türen gut schließen. Bei den Wetterverhältnissen segeln wir in voller Montur: Ölzeug, Stiefel, Schwimmweste, Seglerhandschuhe. Strecktaue und Sicherheitsleinen sind angebracht. Bis zum Ablegen in Hel brauchen wir zwei Stunden Vorbereitung. 

Es ist 17.00 Uhr, blauer Himmel, der richtige Wind, ich hole die Leinen ein, das heißt auch aufschießen. Wir verlassen unter Motor den Hafen. Ich freue mich, Wind und Wetter stimmen, alles ist o.K. Für eine Kontrollaktion  der Russen berühren wir nicht mal annähernd  deren Hoheitsgewässer. Ein Seglerkollege hat so eine Attacke erlebt und war geschockt. Falls doch ein Kontrollboot der Russen uns attakiert, ist Bitte das Zauberwort oder der Erkennungscode, das sagen nur Touristen ;-))

Der Wind nimmt zu, wir reffen beide Segel und fegen mit 6 – 8 kn durch die blaue Ostsee. Einfach toll. Die Tatsache, dass wir 24 Std. nonstop segeln müssen, ist erstmal in weite Ferne gerückt. Jürgen und unser Autopilot (wir haben ihn „Snoopy“ getauft) sind ein gutes Team. Bis 3.00 Uhr nachts steht er am Ruder, dann muss ich in die „Hundswache“ (weil man in der Zeit hundemüde wird), sie dauert von  24.00 – 4.00 Uhr.  Mit mir an der Seite hat der Autopilot das Ruder übernommen. 

Kennt Ihr das Lied vom „Wilden Wassermann und der schönen jungen Lilofee“? „but my name is Cita" 

Heimlich habe ich gehofft, dass Jürgen keine 4 Stunden ruht. Und dann stand er wieder im Niedergang, ich war erstmal happy. Es waren sowieso nur Schlafhäppchen, die uns vergönnt waren. Der weitere Törn verlief klassisch schön.  Die nächtliche Kulisse, der Sound von Wind und Wellen, die Zivilisation war so weit weg. Wie im Flug war die Zeit vergangen. Im Westen geht die Sonne auf, ein unglaubliches Lebensgefühl erfasst mich. Am nächsten Tag um 17.00 Uhr leiten uns die Ansteuerungstonnen in den Hafen von Liepaja. Dieser Maxi-Törn war Segeln pur und für mich ein besonderes Erlebnis.

Hundertvierzig Seemeilen sind wir gesegelt, fast genau 24 Std., Kaliningrad Steuerbord passiert, keine russische Kontrollen, straight a head bei passendem Wetter, wir sind Helden. 

 

Jetzt gibt es erstmal ein gutes Abendessen. Bacon mit Spiegeleiern und selbst eingelegten Rosmarinoliven, dazu ein Glas Pfälzer Wein und dann…….., schlafen.

Unser Puschel hat sich während der 24 Std. in einen Tiefschlaf fallen lassen, hat in seinem Körbchen gelegen und keine Notdurft zugelassen.

Liepaja wird als „piekfeine“ Marina empfohlen. Auf jeden Fall ist der Hafenmeister sehr freundlich und hat uns mit Stadtplan und Infomaterial versorgt. Am nächsten Tag möchten wir Pavilosta ansteuern, nur 25 sm. Jetzt starten wir erstmal einen Rundgang durch die Liepaja.

Bei der Anfahrt sind uns die kilometerlangen, weißen Strände und Dünen von Liepaja aufgefallen, ein touristisches Highlight und Anziehungspunkt für viele Gäste. Aufrecht in den Sand gesteckt steht der Name der Stadt, "Liepaja", in riesigen Edelstahlbuchstaben. Man kann sich darin spiegeln, in die Ferne schauen oder Faxen machen.

Dann, am Morgen, Sonne und blauer Himmel, wir hatten Lust auf frische Brötchen. Jürgen, der Sprache nicht mächtig und leicht irritiert von dem riesigen Angebot, hat sich für süße Milchbrötchen entschieden, leider gefüllt mit Krautsalat oder als Alternative mit Reis. Das macht Stimmung, der Startschuss, um im echten Leben wieder anzukommen.

Liepaja hat einen großen Industriehafen, Frachtfährdienst ist das Hauptgeschäft, Fähren fahren zwischen Liepaja und Travemünde. Die Stadthymne, "Die Stadt wo der Wind geboren ist" hat  Liepaja mit seinem musikalischen Reichtum erst 1999 für sich entdeckt.

Silberne Noten auf dem Asphalt zeigen uns die empfohlenen Touren durch die Stadt und führen uns zu den Sehenswürdigkeiten?

Oder ……  

sind es Hinweise auf die Liebe der Letten zur Musik? Das Lied der Stadt: "Wo der Wind geboren ist." 

Wer weiß es?

In der Stadt begegnen uns krasse Gegensätze von Verfall und einstiger Größe.

Weite Alleestraßen, alter Baumbestand, große Grundstücke mit wunderschönen, frisch renovierten Jugendstilhäusern und bunt angelegten Gärten erinnern an den Kurort Liepaja im 19 Jhd. Daneben traditionelle, lettische Holzhäuser und auch Jugendstilbauten, die offensichtlich etliche Jahrzehnte ohne Pflege überstanden haben und bewohnt sind, man kann es sich nicht vorstellen.

Die Zeiten der russischen Besatzung ist auffällig präsent. Industrieruinen und runtergekommene, graue Schrotthäuser drängen sich immer wieder in den Vordergrund.

Leider war die Annenkirche verschlossen, wir haben den Altar aus dem17. Jhd. nicht bewundern können, schade.

 

“Wo der Wind geboren ist“ das Lied der Letten. Es stammt aus dem 13. Jhd. Vier in Bronze gegossene Gestalten, die in der Galerie abgebildet sind, erzählen das Lied vom Wind.

Der phantasievolle Geisterbaum Spoku koks ist ein Hingucker. Er ist der Rockband Livi aus Liepaja gewidmet, die von 1976 bis 2010 aktiv war und in Lettland die Rockmusik geprägt hat. Auf YouTube könnt Ihr unter „Spoku koks“ einen Film und viel schöneren Bildern von dem Spukbaum sehen. Auf Knopfdruck, in den Sitzbänken eingelassen, hören wir die besten Songs der Band und suchen die im Baum eingebauten/versteckten Musikinstrumente.

Das alte Karosta, ein Stadtteil Liepajas und Militärstadt der Russen, angelegt für 30.000 Soldaten mit Familie, wäre eine Besichtigung wert gewesen. Aber wir hatten uns nur wenige Stunden gegeben und doch so viel gesehen.

 

In welcher Stadt in Litauen steht die Figur „Ännchen von Tharau“?  Die Originalfigur war nach dem 2. Weltkrieg verschwunden und ist nie wieder aufgetaucht. Alte Fotografien und Stiche haben eine Rekonstruktion ermöglicht. Welche Stadt ist hier gemeint?

 

Unter Motor starten wir am nächsten Morgen Richtung Pavilosta. Der Wind hat gedreht, kommt von vorne, wir müssen kreuzen. 

Nachmittags legen wir in Pavilosta an, 6 Gastliegeplätze gibt es nur. Ein zauberhafter Ort. Die Menschen haben hier ein anderes Zeitgefühl, oder keins? Ich weiß nicht, ob ich die Stimmung, hier zu sein, vermitteln kann. Der Hafenmeister spricht fließend Deutsch, hat er aus dem Fernsehen gelernt.  Er bietet Touristen eine Hafenrundfahrt in einem großen Holzboot an. Tourismus in Reinkultur, und er ist ein wandelndes Geschichtsbuch, dem wir gerne zuhören. Frischer Fisch vom Kutter, morgens um 7.00 Uhr, na klar. Wir bleiben einen Tag, lernen einen Hamburger kennen, der  hier mit seiner jungen und sehr schönen lettischen Frau ein neues zu Hause gefunden hat und von dem Leben in Pavilosta erzählt.

 Nach einem Supertörn, 7 kn die Stunde, mit Wind von Raumschots, erreichen wir Ventspils. Ein Hafen für eine Nacht, vom ersten Eindruck her nicht erwähnenswert.  Für schwedische Segler allerdings eine beliebte Zwischenstation. Man kann hier bei jedem Wetter einlaufen. Jürgen möchte einen Hafentag einlegen. Wir waren nicht einer Meinung und der Skipper hat nur beim Segeln immer das Sagen, oder?Aber er hat mich überzeugt, Gott sei Dank. Wir waren  im Freilichtmuseum, welches das Leben der Fischersleute im 19. Jhd. zeigt, sehr schön. Der Ankerpark ist eine große Grünanlage, in der dekorativ riesige Anker aufgestellt sind. Spielplätze mit kreativen Kletterelementen und Wasserspielplätzen laden ein, zu bleiben. Und keine CocaColaLangneseReklameschilderKioske.

In der Hafeneinfahrt nach Ventspils steuerbord steht eine "Große Blaue Kuh" aus Fiberglas. Das liebst Vieh der Stadt, so wie der Fisch für Kaiserslautern oder der Drache für Worms am Rhein oder.........., wer weiß es?

Wir möchten noch von einer bemerkenswerten und in der Reisebeschreibung immer wieder erwähnten Einkehr in Lettland berichten, Kafejnica`s. Sie werden von Frauen bewirtschaftet, die kein Englisch sprechen. In ihrer liebenswürdigen Art beschreiben sie uns mit Händen und Füßen und passender Mimik,  was es alles gibt. Mutters Küche in Lettland zu fürstlich niedrigen Preisen. 

 

Es geht weiter nach Kuressaare auf der Insel Saaremaa, bis bald.