Rotterdam

Nach einem kurzen Besuch in Delft fahren wir am 20. Juni weiter nach Rotterdam. Für die kurze Strecke, 13 km, brauchen wir 3 ½ Stunden. Eine Stunde warten vor der „Lage Erfbrug“. Uns wird mal wieder klar, dass wir Zeit haben, anders, als im Arbeitsleben. Um 18.00 Uhr geht es weiter, nach 500 m machen wir fest im „Oude Delfshaven“ von Rotterdam. Die Boxen erlauben nur, mit dem Bug oder Heck anzulegen. Mit Davits und Dinghi am Heck fiel die Entscheidung leicht, also geht es über Bug an Land. Für mich eine artistische Leistung. Mit einem Bein an Land und wie das Andere über die Reling hieven?

 

Wie der Name schon sagt "Oude", wir liegen im ältesten Hafen von Rotterdam. Mitten im historischen Kern, zur Haltestelle gehen wir 2 Minuten. Der Krieg hat diesen Teil von Rotterdam verschont, welch ein Glück. So ist die Altstadt ein kleines Highlight für Touristen geworden, die mal ohne „TripAdvisor“ unterwegs sein möchten. Das multikulturelle Flair zeigt sich in den Geschäften, kleinen Boutiquen, Restaurants, tollen Pinten. Hier sitzen, Zeitung lesen und Menschen schauen, wir genießen es. Schon von weit her erkennt man den Hafen, sein Wahrzeichen ist eine Windmühle. Ihr Name erinnert an die Arbeit der Menschen früher, „Distelleerketel“. Mit Ginbrennen und Heringsfischen haben die Menschen ihr tägliches Brot verdient. 

Unser Stadtrundgang beginnt an der neuen, 2014 eingeweihten "Markthalle", 120 m lang – 40 m hoch – 70 m breit. Ein sensationeller Bau, leuchtend bunt im Innenbereich, und nach oben hin rund gebaut. Ein architektonisches Glanzstück im Zentrum von Rotterdam und außergewöhnlich schön. Die europaweite Ausschreibung wünschte ein futuristisches Bauwerk mit integrierter Markthalle, dazu Wohnungen und Parkplätze. Ein Modell für spätere Wohn/Einkaufkomplexe ist entstanden – 280 Wohnungen, dazu eine Markthalle, innen ausgemalt mit bunten, überdimensionalen Früchten. Meine Empfehlung, schaut euch alles an, wenn ihr hungrig seid.

Fast visavis stehen die „Würfelhäuser“. Auf einen Stamm, gemauert, mit Eingangstür, hat man die Quader auf die Spitze gestellt. Seit 1976 kann man sie bewundern, kurios sieht es aus. Immerhin, drei Wohnebenen und 100 Quadratmeter Wohnfläche bietet ein Haus. Besichtigung nur gegen cash.

Die „Laurenskerk“, Jahrgang 1450, steht nicht weit von der Markthalle. Europaweit die größte mechanische Orgel mit 7600 Orgelpfeifen erleben wir hier. Was für ein Klang, als wir die Kirche betreten.  Gefallen hat uns die originelle Ausstellung. Ein Meter große Tafeln, in Gold gefasst, die aufgeklappt werden. Dahinter zeigt sich das Thema des Bildes, aber in einer anderen, unerwarteten Ausführung.

Mit der Straßenbahn von 1931 lassen wir uns durch Rotterdam fahren, eine Hop-On / Hop-Off Tour. Ehrenamtliche Mitarbeiter machen es möglich. Sie sind Schaffner und fahren die historischen Bahnen. Die top gepflegte 80 Jahre alte Technik ist ihr Verdienst und mal wieder ein Hinweis, wie nachhaltig ehrenamtliche Arbeit sein kann.  Info-Schilder weisen darauf hin – „Man darf nicht spucken“ – „Jugendliche müssen Älteren den Sitzplatz anbieten“ So einfach ist das. Aber in Wirklichkeit meint der Hinweis, bitte nicht seinen Kautabak (Priem) in die Ecken spucken.

Auf unserer Hip-Hop Tour steigen wir an der Kunsthalle aus. Der niederländische Architekt Rem Koolhaas hat das Museum entworfen und schon in der damalige Zeit (1992) ein Kunstwerk für Kunstwerke geschaffen. Das Haus hat keine eigene Sammlung, dafür bietet es bis zu 25 wechselnde Ausstellungen pro Jahr, die in ihrer Vielfältigkeit und Darstellung faszinieren. Die Aktuelle heißt, „Street Dreams“ - Wie HipHop lifestyle und fashion beeinflusst.

HipHop kennen wir vom Wort her, verbunden mit vagen Vorstellungen, was sich dahinter verbergen könnte. Wir waren erst zögerlich, aber genau aus dem Unwissen heraus haben wir Tickets gebucht. 

Die HipHop Szene entstand in den 70er Jahren. Geboren wurde die „Jugend-Kultur“ 

in der Bronx/New York. Eine "Selbstdarstellungs"- und „do-it-youryself“ Mentalität ist entstanden. Gebrauchte Dinge, vor allem Kleidung, wurden wiederverwendet, aber bitte mit viel Originalität und so schräg wie möglich. „Siehe, was Dir gefällt, probiere es aus und mache es zu deinem Eigenen". Und Alles kannst Du immer verändern. HipHop hat die Ideen der Modewelt nachhaltig beeinflusst.

Auf den Straßen wurde break-dance getanzt, die ersten DJ`s mischten bekannte Songs mit Soul, Reggae oder Funk. Entstanden ist der Impuls auch als Gegenoffensive zur Arbeitslosigkeit, Gewalt und Drogensucht auf den Straßen der Bronx und von Manhattan.

In Bildern, Videoclips und informativen Texten wird das gesamte Konzept des originellen, schöpferischen und witzigen HipHop dargestellt. Wir sind begeistert, mit welcher Ausdruckskraft Kuratoren Ausstellungen gestalten und Themen an die Öffentlichkeit bringen, umfassend und verständlich.

Hafenrundfahrt Rotterdam auf der „Spido“, 75 Minuten Wissenswertes über den größten Hafen im europäischen Raum. Ein attraktives Angebot und es hat sich gelohnt. Auf dem offenen Deck und mit verständlicher, deutscher Übersetzung bot sich uns das gesamte Panorama dieser gigantischen Hafenanlage. Obwohl wir nur einen kleinen Teil des Hafens besichtigen konnten, zur Nordsee hin lässt die Geschäftigkeit keinen Tourismus zu, ist uns die gesamte Anlage vorgestellt worden. Es ist der größte Containerhafen der Welt. Alles ist in Bewegung, wie in einem Ameisenstaat. Für jedes Produkt, das verladen wird, sind Dienstleister, ausgestattet mit einem profunden Wissen über Logistik und das jeweilige Produkt, Tag und Nacht im Einsatz. Anlegen– Entladen –Ablegen in 2 Stunden. In riesiegen Kühlhäusern lagert Orangensaft aus Brasilien. Um Liegegebühren zu reduzieren, sind die riesigen Schiffe an Bojen festge-macht. Es gibt noch das alte Quarantäne Gelände, drei Tage oder mehr mussten Mensch oder Tier bei Krankheitsverdacht hier verbringen. Schiffe werden von Bunkerbooten aus mit langen Schläuchen betankt.  Und wir sehen die SS-Rotterdam, ein Passagierdampfer der 50er Jahre, heute Hotel und Restaurant. Obwohl wir zum Teil durch Industriegebiete fahren, sehen wir in Ufernähe ungewöhnlich schöne Wohnkomplexe.  Leben-Wohnen-Arbeit, alles in Reichweite, das ist die Idee.

Nach einem Besuch in Worms mit dem Leihwagen fahren wir erst Mitte Juli weiter von Rotterdam nach Amsterdam.  Jürgens Tochter Birthe und Luisa kommen uns besuchen.