Bücher
- "Der Glaspalast" Amitav Ghosh
2001 geschrieben, also kein "aktuelles" Buch und mal wieder gute Belletristik. Eine Familiengeschichte
über Generationen, die eingebettet ist in die geschichtliche Entwicklung von Indien und Birma. Mit dem
Einmarsch der britischen Kolonialmacht wird 1985 die birmanische Königsfamilie entmachtet, vertrieben.
Der Unabhängigkeitskampf der Inder bis zur Befreiung von der englischen Vorherrschaft, bis hin zum
zweiten Weltkrieg, detailliert und eindrucksvoll erzählt. Sensibel verknüpft Amitav Ghosh das Drama der
damaligen, politischen Verhältnisse mit der Lebenssituation der ansässigen Familien. Wer mag, kann sich
mit all` seinen Rezeptoren einlassen auf die Geschichte dieser Menschen ihrer Kultur, ihren sozialen
Verhältnissen und ihren langwierigen, verzweifelten Kämpfen gegen die Herrschaft der Engländer.
- "München" Robert Harris
Von seinem Buch "Intrige" war ich schon beeindruckt. Auch in "München" verfasst er authentisch die
geschichtlichen Ereignisse des Münchener Abkommens 1938. Frankreich, England, Italien und
Deutschland verhandelten über die Abtretung des Sudetengebiets an Deutschland. Im Sinne einer
Beschwichtigungspolitik wurde den Tschechen der "Schwarzen Peter" zugeschoben. Drei Tage wurde
verhandelt, auf 306 Seiten erzählt. Spannend und intensiv vermittelt Robert Harris dem
geschichtsinteressierten Leser, wie sich Machtpolitik auf höchster Ebene abspielen kann. Der kluge
und hoch intelligente Chamberlain, der auf diplomatischem Weg um den Frieden ringt und daneben
Hitler, sozial gestört, fanatisch, anmaßend, vom Größenwahn zerfressen, er wollte den Krieg. Alle haben
es geahnt, keiner wollte es glauben und Hitler hat seine Pläne vertuscht. Ein denkwürdiger Roman.
- "Wenn Engel brennen" Tawni O` Dell
Ein lesenswerter Krimi mit einem recht düsteren Einstieg in die Handlung. Der Roman spielt in einer
verlassenen Industrieregion, wo Menschen und Land nebeneinander ruiniert wurden. Twani O` Dell kennt
sich aus, hier wurde er geboren. Die Charakterstudien seiner Protagonisten sind berührend intensiv
und gut beobachtet. Die Ironie, mit der er seien Roman würzt, verfeinert die Lesefreude.
"Dove" ist die ermittelnde Polizistin, bis zum "Chief" hat sie sich hochgearbeitet. Wie überall auf der Welt
wird Frauen für einen führenden Posten immer mehr abverlangt ;-) Der Mord in einem Familienclan
und die Verstrickungen in dem Netz der gesamten Familie ist eine Kampfansage für die Ermittlerin.
- "Welch schöne Tiere wir sind" Lawrence Osborne
Osborne war Reisejournalist. Bevor er DAS Buch schreibt, lebt er in dem entsprechenden Land. Sein
Anspruch, er will den Schauplatz, an dem der Roman spielt, mit all` seinen Sinnen erleben, spüren, kennen
lernen. Schließlich sind speziell diese Erlebnisse der literarische Hintergrund des Romans. Bei "Den
schönen Tieren" ist es Marokko, deren Kulturen und ländliche Szenerien die Handlung begleiten. In
diesem Umfeld bewegen sich die Beteiligten, reiche Kolonialisten, deren Freunde/Gäste, gelangweilt,
elitär, satt vom zufriedenen Leben. Diese vorgetäuschte, oberflächliche Lebensart beginnt mit einer
scheinbar unbedeutenden Tragödie, deren Mächtigkeit die Handlung und das Ende des Romans
bestimmen. Ein außergewöhnliches Buch.
- "Der Besuch des Leibarztes" Per Olov Enquist
Ein Roman mit historischen Wurzeln und ausgestattet mit wahren Ereignisse um den gemütskranken
dänischen König Christian VII - 18. Jh. "Die Geschichte des Altonaer Mediziners Johann Friedrich Struensee,
der vom Leibarzt des dänischen Königs Christian VII. zum Geheimen Kabinettsminister aufstieg, mit der
Gemahlin des psychisch labilen Monarchen eine Liebesbeziehung unterhielt, unter beider Protektion
zahlreiche Reformen durch setzte und nach einem vier Jahre währenden, leisen und hartnäckigen Kampf
um die Herrschaft von Vernunft und Humanität auf dem Schafott endete." (FAZ 16.05.2001 - "Anprobe vor
dem Seelenspiegel") Der Kommentar der Frankfurter Allgemeinen bringt es inhaltlich auf den Punkt.
Ein Buch mit bemerkenswerten Informationen zur dänischen Geschichte, fein literarisch verfasst. Ein
"Lesenswert" kreuze ich an.
- "Intrige" Robert Harris
Thema ist die "Dreyfuss Affäre", die 1894 begann. Erst 1906 wurde Alfred Dreyfuss als Brigadegeneral
wieder in die Armee aufgenommen. Alfred Dreyfuss war Jude und Mitglied im französischen Generalstab.
In einem spannenden Roman, mit realen Angaben zu Ort, Zeit und den Namen der Beteiligten, setzt sich
Harris mit aktuellen Fragen auseinander: "Was passiert, wenn Geheimdienste außer Kontrolle geraten,
wenn der Staat geheime Gerichte zulässt, wenn Minderheiten zum Sündenbock gemacht werden, wenn
Politiker ihre Verbrechen zu vertuschen suchen?" Komplex und detailgetreu beschreibt er die Vorgänge,
die letztendlich ganz Frankreich über Jahre in eine politische Krise gestürzt haben.
- "Lieben" Jens Corssen
Jürgen erwähnte das Buch, eine Empfehlung aus der "Bunten". Ein Netz aus Vorurteilen war meine erste
Reaktion. Weit gefehlt. Die Themen, Liebe das Leben - Liebe Dich - Liebe den Anderen. Positiv formulierte
Texte, verständnisvoll und klar geschrieben. Es macht Freude, darin zu lesen. Nie belehrend bringt er die
Themen auf den Punkt und wer möchte, erfährt oder lernt Wesentliches über die drei großen Themen
der Liebe.
- "Die Schlafwandler " Christopher Clark
Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog. Ein Sachbuch, geschrieben von einem exzellenten
Historiker. Eindrucksvoll, und für den interessierten Laien verständlich geschrieben, schildert er die
damaligen Umstände und nennt die auseinanderstrebenden Interessen der einzelnen Staaten, die sie aber
gleichzeitig und unweigerlich miteinander verbanden. Bemerkenswert ist, das alle beteiligten Länder an
einen kurzen Krieg glaubten und an ihren eigenen Sieg. 900 Seiten sind zu lesen, eine zweifelsfrei
empfehlenswerte Lektüre über die größte europäische Katastrophe des 20ten Jahrhundert.
- "Der Schneeleopard" - Sylvain Tesson
Mit dem Starfotograf Vincent Munier an seiner Seite ist er in Tibet unterwegs, um dem Schneeleoparden
zu begegnen, ihn zu filmen. Hochgelobtes Buch, auf der Bestsellerliste 2021 zu finden. Eine seiner Stärken
sind die kreativen Bilder, mit denen er Probleme in unserer Gesellschaft kritisch und auf den Punkt
genau darstellt. Auch seine intensiv, emotional geschilderten Begegnungen mit der Tierwelt sind
bemerkenswert. Anstrengend empfinde ich die grelle Darstellung seines "Wissens", alles Themen,
die aus dem Rahmen fallen und seine Lektüre über die Schönheit der Expedition schmälern.
- "Der große Sommer" - Ewald Arenz
Ein Buch, das einfach nur schön ist. Es erzählt die Geschichte von einem fast jungen Mann, der im
Familienverband das Leben lieben und leben lernt, gespickt mit vielen kleinen Alltagsweisheiten, nie
Klischee oder kitschig.
- "Mittagsstunde" - Dörte Hansen
Ein Roman, leise erzählt er von den teils sonderlichen Menschen in einem kleinen Dorf, deren Zeit
anscheinend stehen geblieben ist. Aber die Welt, in der sie leben, hat sich weiterentwickelt, ist ihnen
fremd geworden. Verluste und Veränderungen haben leise und kompakt dem Dorf Brinkebüll ein neues
Gesicht gegeben. Aber, Sönke Feddersen, der Alte, ist stets in seinem Gasthof. Und um ihn herum erzählt
die Geschichte vom Wandel und Neuanfang in Brinkebüll. Die schöne alte Zeit und ihre Spuren begegnet
der Moderne, berührend, ungewöhnlich, stimmungsvoll und gründlich. Auch ohne die "Früher war alles
schöner" Mentalität ist das Buch, und überhaupt, ein Gewinn.
- "Der Gesang der Flusskrebse" - Delia Ovens
Eins der schönsten Bücher, die wir gelesen haben. Es spielt in den Marschgebieten von North Carolinas.
Berührend ist die Tragik der Geschichte, ohne klischeehaft zu werden. Es ist die Geschichte von Kya, die ab
dem sechsten Lebensjahr unter unvorstellbaren Bedingungen sich dem Leben stellt, wie sie lernt, zu
überleben, mit der Natur, in Einsamkeit.
"Kya, ein verlassenes, verwildertes, verstörtes Kind, das sich zu einer selbstbewussten Frau entwickelt, die
lesen lernt, leben lernt, und lieben lernt, vielleicht auch hassen". (24.09.2019 - Spiegel-Kultur)
Auffallend sind die Begegnung mit der rauen Natur, die Ovens intensiv vermittelt. Du bist mitten drin.
Dichte und auch Spannung bis zur letzten Seite.
- "Vom Ende der Einsamkeit" - Benedict Wells
Mit unglaublicher Dichte und Formulierungskunst berichtet Wells von seinen Gefühlen, die ihn geprägt
haben, eingebaut in eine Geschichte, die er selber nicht erlebt hat. Ein Buch, das bis in die
Zehenspitzen berührt. Es gilingt ihm, mit dieser Emotionalität den Leser in das Geschehen zu integrieren.
Ich nehme teil an extrem traurigen Szenen und an dem Glück, das er erfährt.
Jules, so heißt der Ich-Erzähler, verliert bei einem Autounfall seine Eltern. Er und seine beiden
Geschwister geraten völlig aus der Bahn. "Mitzuverfolgen, wie dem Erzähler, der noch gar nicht alt ist, die
Jahre entgleiten, wie er dann für eine kurze Zeit das Glück festhält und sich in seinen beiden Kindern
wiedererkennt". (9.04.2016 - Süddeutsche Zeitung)
Das Buch ist mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet und in 27 Sprachen übersetzt.
https://www.youtube.com/watch?v=X0JVLqmeWsg - Benedict Wells im Interview zu seinem Buch, toll.
- "Werte - Zitate" - Inspirationen für ein wertvolles Miteinander - Frank H. Sauer
"Hier sammeln wir schlaue Sprüche, Zitate und Aphorismen von klugen, bekannten, berühmten und/oder
weisen Persönlichkeiten." Besinnliche Zitate, nicht nur für Schöngeistige. Tiefgründig sind die Aussagen,
philosophisch und klug in der Ausdrucksform und in den Hinweisen auf allgemein gültige Themenberei-
che. Ein Buch zum Haben und zum Stöbern.
- "Das große Buch der Werte" - Enzyklopädie der Wertvorstellungen - Frank H. Sauer
Gerne wird in neuester Zeit von Politikern und in Talk-Runden das Wort „Werte“ benutzt, doch ohne
spezielle Deutungen oder Aussagen, was oder welcher Wert genau gemeint ist. Vergessene
Wesensmerkmale kommen in Erinnerung, Würde, Achtsamkeit, Akzeptanz, Empathie oder Anstand.
Wesentliche Werte, die den zwischenmenschlichen Umgang in der Gesellschaft und face to face prägen.
Mein Eindruck ist, dieses Standardwerk löst mehr Bewusstsein für eigenes Denken und Handeln aus,
bzw. dessen Auswirkungen auf den Menschen, auf die Gesellschaft. Werte, Wertesysteme und ihre
Bedeutung rücken in den Vordergrund. Umgangsformen werden mit neuem Leben gefüllt. Schließlich sind
sie die tragenden Pfeiler in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz, im Team oder in den Familien. Mir gefällt,
dass das Thema Werte aus kleinen, meist elitären Kreisen heraus der breiten Öffentlichkeit angeboten
wird. Frank Sauer geht auf die vielen Facetten der Werte und Wertesysteme ein, bietet Hintergrundwissen
und nennt Links, Literatur und Medienauftritte zu dem Thema. Ein tolles Buch zum Haben.
www.wertesysteme.de - Definitionen und ausführliche Beschreibungen der Werte sowie wertesys-
temischen Begriffen.
- "Mein Werte Buch" - Frank H. Sauer
Das Arbeitsbuch zu den umfangreich genannten und beschriebenen "Werten" in der Enzyklopädie. Jeder
kann es für den eigenen Erkenntnisprozess nutzen. Es ist eine tolle Vorlage für Schulen oder Betriebe, um
ein anderes Bewusstsein für ein Miteinander zu schaffen. Inhalte und Umgangsformen mit neuem Leben
füllen. Teamgeist, Loyalität, Empathie, Integrität sind z. B. Werte für eine gesunde Kommunikation der
Menschen untereinander. In Form von Arbeitsblättern wird erst ein Wert komplex erklärt. Im zweiten Teil
werden gezielt Fragen/Aufgaben zu dem ausgewählten Begriff gestellt, die bearbeitet werden. Da kommt
etwas in Bewegung, ein nachhaltiger Bewusstseinsprozess.
- "Luisito" - Susanna Tamaro
Luisito handelt von der zauberhafte Begegnung einer älteren Frau mit einem Papagei namens Luisito. Sie
nimmt ihn bei sich auf, er wird ihr Freund und hilft ihr, Einsamkeit gegen Lebendigkeit einzutauschen.
Das Buch hat mich berührt. Es zeigt, das Alter nicht gleichzeitig Einsamkeit bedeutet.
- "Die Kirschendiebin" - Helga Schütz
Erzählt wird die Geschichte von einer großen Liebe zur Zeit des Mauerfalls zwischen Ost- und
Westdeutschland. Zart und bewegend verschenkt die Erzählung Hoffnung, das es die Liebe des Lebens
geben kann. Sehr tiefgründig und nie kitschig.
- "Die Lügnerin" - Ayelet Gundar-Goshen
In dem Roman entwickelt sich ein Missverständnis zu einer Lüge. "In filigraner Handarbeit entfaltet
Gundar-Goshen die menschliche Seele, lässt die Grenzen zwischen Richtig und Falsch meisterhaft
verschwinden." "Manche Menschen werden durch die Wahrheit schön, andere durch das Lügen:"
Ein toller Roman und eine spannende Diskussionsgrundlage.
- "Wir Ertrunkenen" - Carsten Jensen
Der Roman spielt in Marstal auf der Insel Aer'o / Dänemark, 800 Seiten stark. Erzählt wird die Geschichte
der Menschen von Marstal, ihrem dramatischen Leben zwischen den beiden Extremen: Familie und
Seefahrt. "Erzählt wird, worauf es im Leben wirklich ankommt und wie man seine Menschlichkeit
bewahrt." (Kommentar von Hakan Nesser)
- "Sophia, der Tod und Ich" - Thees Uhlmann
Uhlmann ist Liedermacher und Sänger der Band "Tonte" in Hamburg, Er ist Fan von St. Pauli und hat sein
erstes Buch geschrieben. Es klingelt an der Tür. Als der Mann öffnet, steht der Tod auf der Schwelle und
will ihn holen. Jetzt beginnt ein heiterer Roman voller Witz, Innerlichkeit und Lebensweisheiten. Er
erzählt die Geschichte von dem Tod und dem Mann, der mit seiner Exfreundin quer durch das Land fährt,
um die Menschen noch einmal zu treffen, die ihm etwas bedeutet haben. Der ist Tod immer an seiner
Seite und er wird mit urkomischen Situationen konfrontiert. Weil.... der Tod kennt/weiß ja nichts vom
Leben. "Ein Roadtrip für Himmel und Hölle sozusagen." (Spiegel online 8.10.2015)